Das Dilemma der Möbel-Großflächen

Das Dilemma der Möbel-Großflächen

Das Dilemma der Möbel-Großflächen - Thomas Witt

Warum Möbelkunden so oft "noch mal drüber schlafen" wollen

Wozu zeigt man eigentlich 200 Sofas oder 100 Küchen? Antwort: natürlich um Besucher aus der Umgebung in den Laden zu locken.

  • Aber was macht das mit dem Besucher?
  • Folgen aus mehr Auswahl automatisch auch mehr Abschlüsse?
  • Fühlt sich der Konsument besser, wenn er aus vielen Möglichkeiten wählen kann?

Die psychologische Forschung der letzten 2 Jahrzehnte macht kleinen Möbelhäusern Mut und signalisiert eine Herausforderung für die Großfläche. Mehr ist nicht unbedingt besser! Lesen Sie im folgenden Artikel warum.

Wir brauchen mehr Ausstellung, um mehr Frequenz anzuziehen. Dabei sinkt aber die Abschöpfung!

Das Dilemma: Der Möbelhandel braucht Vielfalt in der Ausstellung, um Besucher anzuziehen. Gleichzeitig reduziert die Vielfalt der angebotenen Möbel die Abschlusschancen.

Hier finden Sie die Video-Version dieses Artikels:

Warum ist das so? Das Thema ist im Lebensmitteleinzelhandel gut erforscht. Psychologie im Supermarkt ist eine gefragte Wissenschaft. Einige Ergebnisse lassen sich aber auch auf den Möbelhandel übertragen.

Eine Ausstellungserweiterung wurde in einer Studie der Verhaltensökonomin Sheena Iyengar simuliert. In einem Supermarkt wurden die Konsumenten einmal mit einem Promotion-Stand mit 6 Marmeladensorten und einmal mit 24 Marmeladensorten konfrontiert.

Das Ergebnis zeigt ein frustrierendes Dilemma:

Das Auswahl-Paradox: Mehr Auswahl bedeutet weniger Abschlussquote!

Ergebnis 1: Mehr Auswahl – mehr Interessenten.

Bei einem Angebot von 6 Marmeladen beachteten nur 40% der Kunden den Stand, bei 24 Sorten waren es 60%.

Eine kleine Überschlagsrechnung zur Effizienz von Ausstellung als Kundenmagnet zeigt uns: 4 mal mehr Ausstellung ergibt nur 50% mehr Kundenfrequenz.

Ergebnis 2: Mehr Auswahl – weniger Abschlusswahrscheinlichkeit.

Bei der Präsentation von 6 Marmeladensorten entschieden sich 30% der Kunden zum Kauf einer Marmelade. Bei 24 Sorten kauften nur 3%! Sogar die absolute Anzahl der Käufer ging bei der Vervierfachung der Ausstellung auf knapp ein Sechstel zurück!

D.h. vier mal so viel Angebot reduziert die Abschlusswahrscheinlichkeit um 90%!

Jetzt denken Sie vielleicht: „Na, ja. So ein Experiment mit einem Promotion-Stand mit Marmeladen hat ja keine allgemeine Gültigkeit. Wir verkaufen langlebige Konsumgüter. Bei uns geht es einfach um mehr.“ Frau Iyengar ist deswegen einen Schritt weiter gegangen.

In einer groß angelegten Analyse zur Teilnahme an freiwilligen Altersvorsorgeprogrammen von Firmen in den USA (grob vergleichbar mit unseren Direktversicherungen) stellte sie fest, dass es einen negativen Zusammenhang zwischen der Anzahl der zur Auswahl angebotenen Fonds und der Teilnahmewahrscheinlichkeit gab.

  • Wenn nur zwei Optionen angeboten wurden, nahmen 75% der Angestellten die Möglichkeit wahr, in den vom Arbeitgeber geförderten Pensionsplan einzuzahlen. 
  • Jede weitere Option führte zu einem Rückgang der Nachfrage!
  • Pro 10 zusätzlich angebotener Fonds sank die Teilnahme um 2,5%.

Da die meisten untersuchten Firmen-Pensionsprogramme zwischen 10 und 30 Fonds zur Auswahl anbieten und es immerhin um die geförderte Altersversorgung von 900.000 untersuchten Angestellten geht, ist das eine Katastrophe!

Was bedeutet das für den Möbelhandel?

Ganz so krass sind die Ergebnisse von Flächenerweiterungen im Möbelhandel nicht:

  • Ein 40.000 qm Haus zieht i.d.R. zwei- bis dreimal so viel Frequenz wie ein 10.000 qm Möbelhaus.
  • Die Abschöpfungsquote geht aber tatsächlich von über 30% bei kleinen, frequenzarmen Häusern auf unter 10% bei vielen Großflächen zurück!

Was folgern wir daraus?

  1. Kleine Häuser haben zwar weniger Frequenz, haben aber höhere Abschlusschancen. Wir arbeiten mit Möbelhäusern von 8.000 qm Größe, die unter der Woche mit 15 Kundenpartien pro Tag überleben! Auf der anderen Seite zeigen das Versagen von großen Häusern (Mahler Neu-Ulm, Wesner, Feldmann) unter anderem, dass es nicht nur um Ausstellungsfläche geht. Wir sehen in kleinen Möbelhäusern Abschöpfungsquoten von bis zu 45%. D.h. von hundert Besucherpartien kaufen 45 Möbel!
  2. Häuser mit großer Ausstellung brauchen einen noch aktiveren Verkauf. Wenn Sie ein großes Möbelhaus haben, müssen Sie deswegen natürlich nicht die Ausstellung verkleinern. Sie brauchen einfach nur Verkäufer, die den Kunden durch die Vielfalt steuern!

Die Zwangswegeführung und die sogenannten „Stummen Verkäufer“ reichen da nicht aus. Da die Kunden von der Angebotsvielfalt überwältigt sind und sich dann nicht entscheiden können, brauchen Großflächen einen aktiven Verkaufsprozess, bei dem der Verkäufer sehr früh an den Kunden herankommt und seine Bedürfnisse erfragt. Hat er erstmal 10 Garnituren gesehen, ist er überfordert, will keine Entscheidung mehr treffen und behauptet am hellichten Tage schlafen gehen zu wollen.

Leider sind aber gerade die Möbelverkäufer der Großfläche oft der Meinung, der Kunde solle sich erstmal in Ruhe umschauen.

Wenn der Kunde dann ungefähr das richtige Möbelstück entdeckt hat, wird er sich schon melden und sich etwas planen lassen. Diese Strategie ist dafür verantwortlich, dass große Häuser z.T. katastrophale Abschöpfungsquoten haben. Vor ein paar Jahren machten wir eine Bedarfsermittlung bei einem Möbelhaus, das nur mit 3% aller Kundenpartien einen Auftrag schrieb (Update: jetzt befindet sich Poco in der Immobilie). 

Warum funktioniert die Strategie, den Kunden “durchdödeln” zu lassen, so schlecht? Frau Iyengar schätzt, dass wir höchstens zehn verschiedene Varianten beurteilen können, bevor unsere Urteilskraft aussetzt. Das Problem ist, dass die Kunden unseren Verkäufern nicht sagen: “Sie haben meine Urteilskraft überfordert”. Stattdessen verabschieden sie sich mit den Worten: “Vielen Dank für die gute Beratung! Wir müssen noch einmal darüber schlafen.” Und wir alle wissen ja:

“Die freundlichsten Verabschiedungen sind die unwahrscheinlichsten Wiederkommer.”

Fast alle Möbelhäuser, die angebaut haben, sehen danach den Quadratmeterumsatz abstürzen. Die Abschöpfung (Kaufverträge und Möbel-Barverkäufe geteilt durch die Anzahl der Besucherpartien) wird normalerweise nicht gemessen und die Händler sind einfach unzufrieden, tappen aber im Dunkeln, was die Gründe angeht.

Warum wird die Abschöpfung nicht gemessen und analysiert? Weil die Möbelhändler (und leider auch viele Berater der Verbände) zufrieden damit sind, sich die sogenannte „Flächenproduktivität“ anzuschauen. Die ist ja auch einfacher zu ermitteln.

„Flächenproduktivität“ ist aber im normalen Möbelhandel (IKEA ausgenommen) ein Oxymoron. Was ein Oxymoron ist? Das ist eine Zusammensetzung von sich widersprechenden Wörtern, wie z.B. Hassliebe, offenes Geheimnis, vorläufiges Endergebnis und alter Knabe!

Fläche ist nicht produktiv, sondern Verkäufer sollten es sein!

Es gibt Waren, die stellt man einfach hin und wartet, bis die Kunden sie kaufen (z.B. Lebensmittel im Supermarkt) und es gibt Produkte, die sind beratungsintensiv. Und da geht nichts (oder nur sehr wenig), wenn nicht aktiv kontaktet und beraten wird.

Ob Sie nun ein großes oder ein kleines Möbelhaus managen, lohnt es sich, an der Abschöpfung zu arbeiten. 

Ich erkläre Ihnen gerne, wie auch Sie mit einem finanziellen Aufwand von unter 100 Euro diese Statistiken erheben können und was bei der Datenerhebung zu beachten ist. Für die Erfassung und Analyse können Sie sich hier kostenlos eine Excel-Vorlage herunterladen.

Vorlage zur Abschöpfungsmessung und -auswertung im Möbelhandel - Verkaufsstatistiken Möbelhandel

Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie mich an! Telefon 06101-9953144.

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Ihr Thomas Witt

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