Jetzt können endlich Möbelhäuser wieder öffnen. Es gibt im Wesentlichen nur eine Einschränkung (genügend Platz für Abstand gibt es in den meisten Möbelhäusern sowieso genug): Der Kunde muss vorher einen Termin machen und wird dann von einem Möbelverkäufer durch den Einkaufsprozess geführt.
Das wollte ich bei unseren mittelständischen Möbelhändlern schon immer so organisieren. Verkauf mit Termin und Begleitung ist meiner Meinung nach die ideale Art, hochwertig und individuell zu beraten und damit schon im Verkaufsprozess für den Kunden ein Erlebnis und einen Mehrwert zu schaffen.
Ich hoffe, dass die Click & Meet - Auflagen so lange verbindlich bleiben, bis sowohl die Möbelverkäufer wie auch die Kunden sich umgewöhnt haben. Dann ist hoffentlich der neue, für beide Seiten bessere Verkaufsprozess so weit verankert, dass er beibehalten wird.
Es gibt zwei Arten Möbel zu verkaufen: über die Ware und die Ausstellung oder durch konsequente Bedarfsermittlung und anschließende Beratung.
Lange genug haben sowohl Möbelverkäufer wie auch ihre Chefs im Mittelstand den Besuchern „lange Leine“ gelassen. Der Kunde war es so gewohnt und die Möbelverkäufer schafften es nicht, ihn zu einem für beide Seiten besseren Prozess zu bewegen. Der Konsument sah beim "Durchdödeln" viel zu viele Möbel (das verwirrt) und ließ sich überwiegend erst ansprechen, wenn er Fragen zu einen bestimmten Möbelstück hatte.
Die sogenannte Beratung beschränkte sich oft auf die Beantwortung der Kundenfragen „Gibt es das auch in Leder?“ und „Was kostet das?“.
Wenn der Kunde aber einfach durch das Möbelhaus „dödelt“, hat er auf einer 40.000 qm Großfläche die vierfache Wahrscheinlichkeit, zufällig sein Traummöbelstück zu finden, als bei einem 10.000 qm Mittelständler.
Dabei ist die Strategie des „Durchdödelns und Inspirierenlassens“ sowohl für den Möbelverkäufer wie auch für den Konsumenten ungünstig. Der Verkäufer kann seine Dienstleistung, die individuelle Beratung, nicht erbringen, wenn er nur als „sprechendes Preisschild“ und „staatlich bestellter Warenbeauskunfter“ genutzt wird. Der Kunde verbringt viel zu viel Zeit in Möbelhäusern. Da aber auch das größte Möbelhaus immer nur einen Bruchteil des möglichen Angebots in der Ausstellung haben kann, schafft der Kunde es ohne Beratung meistens nicht, das für seinen Bedarf optimale Möbelstück zu finden.
Ein Blick in eine andere Dienstleistungsbranche zeigt uns eine mögliche Differenzierung. Frisörsalons kann man grob in zwei Gruppen unterscheiden:
Die „Terminfrisöre“ erbringen die hochwertige, persönliche und individuelle Dienstleistung. Sie merken sich, ob der Kunde oder die Kundin Prosecco oder Espresso trinkt und wie der Kaffee zubereitet werden soll. Sie wissen eine Menge über ihre Kunden: persönliche Präferenzen, Job, Familienleben, Urlaube. Sie nehmen sich Zeit für ein privates Gespräch. Und dieses gesamte Dienstleistungspaket kostet meistens dreistellige Summen. Hier wird aber nicht wie im Möbelhandel der Preis verhandelt, sondern obendrauf auch noch ein fettes Trinkgeld gegeben. Ohne Termin geht bei diesen Frisören gar nichts.
Am anderen Ende des Marktes sind Frisöre, die für 12 Euro mit der Maschine überwiegend jungen Männern die Haare kürzen. Getränke gibt es nicht. Small-Talk ist begrenzt, da die ganze Prozedur nur 10 Minuten dauert. Oft sieht man jetzt in Corona-Zeiten 3-5 Menschen vor solchen Geschäften warten. Aber sie kommen schnell dran, da drinnen mindestens 5 Dienstleister die Scheermaschinen bedienen. Termine? Die wüssten gar nicht, wie sie diese verwalten sollten. Alle sind ja beschäftigt mit Haareschneiden.
Immer wenn ich mittelständische Möbelhändler frage, welches der beiden Geschäftsmodelle ihnen besser gefällt, sagen Sie "Natürlich der Terminfrisör! Wir sind hochwertig, individuell und beratungslastig.". Schade, dass nichts in der Werbung oder der Kommunikation am POS darauf hinweist, dass der Möbelkunde hier einem anderen Prozess folgen sollte als bei IKEA. Die Prospekte versprechen munter "40% Rabatt auf Alles!" und im Laden hängen "stumme Verkäufer" (Komischer Name. Ich würde mich als "sprechender Verkäufer" darüber beschweren!) von der Decke und versprechen Sonderpreise und Schnäppchen.
Wenn Sie ein Sofa 200 Euro billiger verkaufen als Ihr Konkurrent, ist das nichts, worauf Sie stolz sein sollten. Sie haben es nicht geschafft, den Wert Ihrer Dienstleistung zu verkaufen. Das Sofa kostet Sie im Einkaufspreis ungefähr genauso viel, wie den Mittbewerber. Sie verramschen also nicht das Sofa, sondern die Wertschöpfung Ihres Unternehmens.
Seit über einem Jahrzehnt träume ich von einem "Beratungsmöbelhaus". Wie sieht das aus, fragen Sie?
Außer den kleinen Küchenstudios hat es kaum ein Marktteilnehmer geschafft, diesen beratungsorientierten Prozess einzuführen, weil sowohl die Möbelverkäufer wie auch die Kunden es einfach nicht gewöhnt waren.
Hier kann uns Corona als Veränderungsbeschleuniger helfen. Der Konsument ist durch die Auflagen gezwungen, einen Termin zu machen, auf einen Verkäufer zu warten und sich mit diesem durch die Ausstellung zu bewegen. Möbelverkäufer und Konsumenten können jetzt hoffentlich positive Erfahrungen mit dieser Art des Verkaufens machen.
Beide Seiten profitieren: Der Kunde muss nicht mehr stundenlang durch Möbelhäuser laufen und dutzende von Möbelstücken anschauen, sondern wird individuell, gezielt und zeitsparend beraten. Die zusätzliche Zeit, die auf Vertrauensaufbau und Bedarfsermittlung verwendet wird, wird mehrfach beim Warezeigen, "Abschlussgerangel" und Preisfeilschen eingespart. Der mittelständische Möbelverkäufer kann seine Beratungsstärke ausleben und wird mit einer Abschlussquote von deutlich über 80% belohnt.
Meine Empfehlung an mittelständische Möbelhäuser: Bauen Sie jetzt Ihren Eingangsbereich und Ihren Verkaufsprozess um und hören Sie nie wieder auf damit, Termine zu vergeben, den Kunden direkt beim Eingang zu begrüßen, eine Bedarfsermittlung vor dem Warezeigen zu machen und den Kunden prinzipiell von einem Möbelverkäufer durch die Ausstellung führen zu lassen.
Wenn Sie sich darüber austauschen möchten, machen Sie gerne einen kostenfreien Online-Termin mit mir aus!
Ihr Thomas Witt