[INTEVIEW] Felix Doerr (EMV) über die Chancen kleiner Möbelhäuser

[INTEVIEW] Felix Doerr (EMV) über die Chancen kleiner Möbelhäuser

 

Felix Doerr, Geschäftsführer des Europa Möbel-Verbunds, über die Auswirkungen der „Digital Natives“ auf den Möbelhandel und wo er das größte Potenzial für mittelständische Möbelhäuser sieht.

Seine Expertise: Im Europa Möbel-Verbund sind 585 Möbeleinzelhandelsunternehmen in zehn europäischen Ländern organisiert. Diese Händler betreiben insgesamt 1.556  Verkaufsstellen, davon 825 in Deutschland. Von denen kann man eine Menge lernen.

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Das Kundenverhalten beim Möbelkauf ändert sich rapide - das Verkäuferverhalten muss sich auch ändern, wenn Möbelhäuser überleben wollen.

Wie viele Experten ist auch Felix Doerr der Meinung, dass die Frequenz in den Möbelhäusern abnehmen wird, allerdings wird der Anteil der Kaufkunden steigen. „Besonders junge Menschen optimieren ihren Zeiteinsatz beim Einkaufen und sind nicht mehr für endlose Möbelhausodysseen zu haben“, erklärt er. Die Käufer von morgen werden sich vorher über das Haus und das Sortiment im Internet informieren. Das ist auch der Grund, warum herkömmliche Werbung nicht mehr so wirksam sein wird. Die „Digital Natives“ (mit dem Internet aufgewachsene Konsumenten) sind nun in der Kernzielgruppe angekommen und abonnieren keine Zeitung mehr und lesen auch keine kostenlosen Werbeblättchen. Daher sind sie über Prospekte nicht mehr zu erreichen.Der einzige Bereich, bei dem die herkömmlichen Kanäle der Werbung noch genutzt werden, ist der Rabattkampf. Dieser wird weiter gehen, weil aktionsgetriebene Vermarktung mit Jubiläumsangeboten oder Umbauaktionspreisen immer noch funktionieren.

Um als mittelständisches Möbelhaus zu überleben, müssen diese laut Felix Doerr, die "Königsdisziplin des kundenorientierten Handelns" beherrschen. „Dies kann man sehr schön am Beispiel des Textilhandels erklären“, verrät Felix Doerr, „es gibt nach wie vor kleine Boutiquen. Diese überleben, weil alles was es dort gibt, für eine genau definierte Zielgruppe interessant ist. Die Kunden gehen dort hin, weil es gerade nicht viel Auswahl gibt, sondern wenige aber für sie relevante Produkte“. Möbelhäuser, die sich auf bestimmten Kundengruppen orientieren, haben daher besonders gute Chancen im Überlebenskampf gegen die großen Möbelhäuser. 

Erfolgreiche Häuser stellen ihr Sortiment spitz auf, "... ein Beispiel dafür ist unser „Contur“ Programm. Diese Spezialisierung lässt bestimmte Kundengruppen bewusst außen vor. Das macht vielen Möbelhändlern, die alles für alle bieten wollen, große Angst, ist aber die einzige Chance der kleinen und mittelgroßen Häuser. Erlebnisorientierte, kundenspezifische Programme wie Contur und Global werden von einigen unserer Mitgliedshäuser hundertprozentig umgesetzt.

Der Kunden merkt sofort: „Hier ist es anders.“ Diesen Effekt muss der Mittelstand hervorrufen. Genauso wie nicht alle Menschen ihre Kleidung bei H&M kaufen, werden auch immer bestimmte Möbelkunden zu besonderen, spezialisierten Möbelhäusern gehen." sagt Felix Doerr. "Der Weg aus dem Rabattkampf führt für den Mittelstand nur über die Differenzierung in der Ware, über Handelsmarken. Denn wenn der Kunde sich einmal in ein Produkt verliebt, das es aber nur in einem Haus in der Region gibt, ist die Rabattitis vorbei." sagt der Verbandsschef.

Neue Anforderungen an Führungskräfte und Verkäufer

Der Stresspegel der Inhaber und Führungskräfte wird laut Felix Doerr steigen. "Der Kunde merkt sehr schnell, wenn Teile der Wertschöpfungskette schwächeln und sagt: „Schöne Möbel, aber die Leute hier gehen gar nicht!“. So ein Eindruck erzeugt Unbehagen und der Kunde kauft nicht. Die meisten Händler wissen ganz genau, wo etwas nicht in Ordnung ist. Sie sehen täglich einen Verkaufsprozess, der dazu führt, dass Kunden nicht beraten werden oder das Haus nach einer Beratung in Richtung Konkurrenz verlassen. Dieses Wissen um die täglichen Fehler im Verkaufsprozess erzeugt negativen Stress bei den Inhabern.". 

"Der Mittelständler kann aber nicht alle Felder stemmen und muss sich daher gezielt Hilfe holen. Der Kunde weiß nach 3-5 Sekunden, ob er sich in dem Geschäft wohl fühlt und der erste Blickeindruck der Verkäufer ist ein wichtiger Faktor dabei.". 

"Die Anforderungen an Möbelverkäufer nehmen zu und die Anzahl der Menschen, die damit umgehen können nimmt ab."Durch die Vorinformationen, die der Kunde aus dem Internet bekommt, ist das herkömmliche Produktwissen des mittelständischen Möbelverkäufers nicht mehr so gefragt. Viel mehr Wert legen die informierten Kunden auf Vertrauen, Sympathie und die persönliche Kommunikation. Doch hier müssen auch die Führungskräfte etwas ändern. Ein motivierter Mitarbeiter wirkt deutlich positiver und sympathischer auf den Kunden. Doch wie kann man den Mitarbeiter motivieren? Neben dem Gehalt spielen hier Faktoren wie Anerkennung, Abwechslung und Gestaltungsmöglichkeiten eine wichtige Rolle.

Verstärkt wird der Bedarf an kontaktstarken, menschlich angenehme Möbelverkäufer durch die Möglichkeiten, die der Kunde bereits hat. Die Kunden aus der Gruppe der „Digital Natives“ sind gut vernetzt und zücken direkt ihr Smartphone, wenn etwas nicht nach den eigenen Vorstellungen abläuft. „Der Kunde muss sich im Laden total wohlfühlen und seine Fragen und Probleme müssen optimal und freundlich behandelt werden, egal ob er „Recht hat“ oder der Möbelhändler. Von jedem unglücklichen Besucher oder nicht optimal gelösten Reklamation erfährt in Zukunft jeder, der sich für das Möbelhaus interessiert. Eine schlechte Bewertung auf Social Media Plattformen kann sich in Zukunft kein Geschäft mehr leisten“, weiß Herr Doerr.

Die Warenwirtschaftssysteme arbeiten zur Zeit leider nur vom Produkt aus. Der Kunden ist nur eine Lieferadresse, nicht ein Mensch. Die Systeme sind warenzentriert und nicht kundenorientiert. "Wir müssen aber in Zukunft aus Kundenthemen die Warenthemen ableiten. Der Mittelstand muss das CRM, das Kundenbeziehungsmanagement für sich entdecken. Das bedeutet, software- und datengestützt jedem Kunden ein in Produkt, Leistung und Service differenziertes, genau auf seine vermuteten Bedürfnisse zugeschnittenes Angebot zu machen.". Das sei eine Disziplin, für die kleine und mittelständische Händler ein gemeinsames Servicecenter, u.U. bei ihrem Einkaufsverband, brauchen, sagt Felix Doerr dazu.

Die Führungskompentenzen werden immer mehr gefragt

Der Inhaber muss verstehen, dass er nicht alles selber machen muss und kann. "Mittelständische Inhaber müssen arbeitsteilig und in Netzen organisiert sein und viele Bereiche, die nicht in ihrer Kernkompentenz (dem Kontakt mit dem Kunden) liegen, dem Verband oder anderen Spezialisten überlassen. Nicht mehr Sortimentsauswahl und Möbelrücken sondern Kommunizieren, Motivieren, Delegieren, Kontrollieren und die Zielerreichung überprüfen, sind die Disziplinen des Möbelhausinhabers der Zukunft"

Die Abschöpfung als letztes Potenzial des mittelständischen Möbelhandels

Neben der Spezialisierung auf klar definierte Zielgruppen, sieht Felix Doerr das letzte, große und ungenutzte Potenzial in der Abschöpfung. „Der Möbelhandel muss die Verweildauer und die Abschlussquote über das Personal optimieren. Aber es wird noch immer versucht, direkt den Umsatz zu beeinflussen“. Bei sinkender Frequenz ist höhere Abschöpfung die einzige Chance. Und dies geht, laut Felix Doerr, nur über eine engere und wertschätzendere Führung des Verkäufers.

Es ist wichtig, dass der Verkaufsprozess kundenzentrierter wird. Viele Verkäufer sind auf ihre Lieblingsprodukte fixiert und versuchen diese jedem Kunden zu verkaufen. Aber anstatt sofort die Möbel zu zeigen, müssen die Verkäufer mehr über die Anforderungen und Wünsche der Kunden herauskriegen und dann den Nutzen herausarbeiten, den der Kunde mit seinen neuen Möbeln anstrebt.

„Der Verkäufer muss es schaffen, die Ware mit den emotionalen Vorstellungen genau dieses Kunden aufzuladen. Wenn wir den Kunden dazu bringen, sich in seiner idealen Zukunft zu sehen, spielt der Preis weniger eine Rolle.“, so Felix Doerr und beendet das Interview mit den Worten „Der Kunde kauft keine Matratze mit 1.000 Federn, sondern die bessere Golfrunde, die er sich morgens nach erholsamen Schlaf wünscht. Er kauft auch keine 7-Zonen-Matratzen, sondern ein entspanntes und schmerzfreies Leben“.

FelixDoerr

Felix Doerr ist Geschäftsführer der Europa Möbel-Verbund GmbH mit 585 Möbeleinzelhandelsunternehmen als Gesellschaftern.

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