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Die Podcast-folge zum nachlesen:
Recht haben oder erfolgreich sein – warum Kundendienst über Erfolg entscheidet
Kundendienst ist längst nicht mehr nur eine Pflichtaufgabe – er entscheidet über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. In Zeiten von Google-Bewertungen, Social Media und Viralität verbreiten sich schlechte Erfahrungen schneller als je zuvor.
Die zentrale Frage lautet: Will man Recht haben – oder erfolgreich sein?
Denn beides gleichzeitig funktioniert nicht.
Kundendienst als Risiko und Chance
Im Möbelhandel, aber auch in vielen anderen Branchen, ist die erste Reaktion bei Reklamationen oft die Suche nach Schuldigen. Wer hat den Fehler gemacht? Wer trägt die Verantwortung?
Doch die Realität sieht anders aus:
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Kunden vergleichen ihre Erlebnisse mit Amazon & Co.
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Ein frustrierter Kunde erzählt es nicht mehr nur seiner Familie, sondern potenziell Tausenden Menschen im Netz.
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Ein einziger Fehler kann das Image über Jahre hinweg beschädigen.
Kundendienst ist damit sowohl ein Risiko als auch eine große Chance.
Wenn schlechte Erfahrungen teuer werden: Das Möbelhaus-Beispiel
Ein Kunde kaufte Möbel im Wert von 20.000 bis 30.000 Euro. Zunächst kam es zu Teillieferungen, dann wurde ein falsches Sofa geliefert. Bis dahin hätte er Verständnis gehabt. Doch die Reklamationsabteilung verlangte Fotos und Nachweise, dass es tatsächlich das falsche Sofa sei.
Das Ganze zog sich über Wochen hin, bis der Kunde einen Anwalt einschaltete. Das Möbelhaus gab schließlich klein bei – doch der Schaden war angerichtet.
Denn dieser Kunde erzählte die Geschichte hunderten von Menschen. Jeder, der ihn fragt, wo man keine Möbel kaufen sollte, hört den Namen dieses Hauses. Der Imageschaden ist unbezahlbar.
United Breaks Guitars – ein Lehrstück im schlechten Kundendienst
Noch bekannter ist die Geschichte von United Airlines.
2009 beobachtete der Musiker Dave Carroll vom Flugzeug aus, wie Bodenpersonal unsanft mit seinem Gitarrenkoffer umging. Bei Ankunft war das Instrument beschädigt.
Was folgte, war eine monatelange Odyssee: Der Kundendienst wälzte die Verantwortung ab, verlangte Beweise und erklärte schließlich: „Wir zahlen nicht.“
Carroll reagierte kreativ: Er schrieb den Song „United Breaks Guitars“ und veröffentlichte ihn auf YouTube. Das Video ging viral – über 26 Millionen Klicks, zehntausende Kommentare.
Die Folge:
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Uniteds Aktienkurs fiel um 10 %.
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Der Marktwert sank um geschätzte 180 Millionen Dollar.
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Und das Image war auf Jahre beschädigt.
Alles, weil ein Unternehmen an ein paar Hundert Dollar sparen wollte.
Wie guter Service Vertrauen schafft
Zum Glück gibt es auch positive Beispiele.
Die Geschichte von Terry Drake
Ein United-Passagier erfuhr im Flugzeug, dass seine Mutter im Sterben lag. Er befürchtete, den Anschlussflug zu verpassen. Eine Flugbegleiterin reagierte sofort, informierte den Piloten und das Bodenpersonal.
In Houston wartete man bereits am Gate auf ihn – und er konnte rechtzeitig bei seiner Mutter sein. Diese Geschichte wurde millionenfach online geteilt.
Ritz-Carlton: 2.000 Dollar Entscheidungsspielraum
In Ritz-Carlton-Hotels dürfen Mitarbeiter bis zu 2.000 Dollar frei einsetzen, um Gäste glücklich zu machen.
Eine junge Braut verlor am Strand ihren Ehering. Mitarbeiter suchten die ganze Nacht mit Metalldetektoren – und fanden ihn. Am nächsten Morgen lag der Ring auf dem Frühstücksteller.
Ein Erlebnis, das für lebenslange Kundenbindung sorgt.
Die Psychologie dahinter: Was Kunden wirklich wollen
Schlechte Nachrichten verbreiten sich schnell, gute langsamer. Ein enttäuschter Kunde erzählt die Geschichte jahrelang weiter, oft an hunderte Menschen.
Dabei geht es nicht darum, ob der Kunde „Recht hat“. Entscheidend ist, ob er das Gefühl bekommt, ernst genommen zu werden.
Wer diskutiert, verliert.
Das gilt im Geschäft wie auch im Privatleben: Wer dem Partner nach einem stressigen Tag erklärt, dass er gar kein Recht habe, sich schlecht zu fühlen, verschlechtert die Situation. Genauso läuft es bei Reklamationen.
Prinzipien statt Regeln
Was bedeutet das für Unternehmen?
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Haltung statt Paragraphen: Kundendienstmitarbeiter müssen Entscheidungsfreiheit haben.
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Einfache Prinzipien: Statt komplexer Vorschriften klare Grundsätze wie „Der Kunde hat Recht, es sei denn, es gefährdet unsere Existenz“.
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Nähe zum Kunden: Probleme sollten dort gelöst werden, wo sie auftreten – ohne dass Informationen über Hierarchien verloren gehen.
Der Unternehmer Paul Akers bringt es auf den Punkt:
„Wenn ein Kunde etwas falsch bestellt, berechnen wir das nicht. Unser Prozess war offensichtlich so, dass er es falsch bestellen konnte. Wer anderen die Schuld gibt, gibt anderen die Macht.“
Fazit: Recht haben oder erfolgreich sein?
Ob Möbelhaus, Airline oder Luxushotel – die Lektion ist dieselbe:
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Kundendienst ist kein Kostenfaktor, sondern ein Werttreiber.
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Reklamationen sind Chancen, Vertrauen zu stärken.
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Es geht nicht um Schuld, sondern um Lösungen.
Man kann Recht haben – oder erfolgreich sein. Wer langfristig bestehen will, muss sich für den Erfolg entscheiden.
Fragen oder Themenwünsche für den Podcast? Einfach per Email an: witt@thomaswittconsulting.de!
Ihr Thomas Witt