Menschen, die unterzuckert sind, entscheiden nicht!
Sie kennen die Situation: Kunden lassen sich drei Stunden lang eine Küche planen. Wenn es dann an den Abschluss geht, sacken sie sichtlich in sich zusammen und behaupten, sie müssten dringend darüber schlafen. Und das, obwohl es noch nicht mal Mittag ist!
Wie kommt das? Entscheidungen treffen, strengt an. Der geniale Psychologe Roy Baumeister hat in seinem Buch “Die Macht der Disziplin” viele Studien zusammengetragen, die dies belegen.
Sie können sich den normalen Beratungsprozess, in dessen Verlauf ein Kunde zwischen 20 Entscheidungen für die Auswahl einer Garnitur und über 60 Entscheidungen für eine Küche treffen muss, wie einen Marathonlauf für einen untrainierten Menschen vorstellen.
Der Entscheidungsmuskel ist bei den meisten Menschen völlig verkümmert und Entscheidungen, bei denen es um ein Vielfaches des verfügbaren Familieneinkommens geht, strengen besonders an! Besonders schwer tun sich nach meiner Erfahrung dabei Berufsgruppen, die für Ihre Arbeit sich vorwiegend an Regeln halten müssen und daher weniger entscheiden (Lehrer, Beamte).
Ist der Mensch erst einmal mental erschöpft, schaltet er in den Sicherheitsmodus: Er entscheidet sich erstmal, nichts mehr zu entscheiden!
Und voilà: Hier haben wir den Kunden, der obwohl alles geklärt ist, dringend das Haus verlassen will.
Entscheiden verbraucht auch eine Menge Glykogen, auch Blutzucker genannt. Wenn der Blutzuckerspiegel niedrig ist, fehlt uns für die harte mentale Arbeit des Entscheidens einfach der Treibstoff. Wir weigern uns, klugerweise, nicht umkehrbare Verpflichtungen einzugehen.
Das ist nicht nur beim Verkaufen ein Problem. Eine Studie analysierte nachträglich über 1.000 reale Gerichtsentscheidungen in Israel, in denen es um Anträge auf vorzeitige Entlassung auf Bewährung ging (Extraneous factors in judicial decisions, Danziger et. al).
Die Grafik zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit auf Bewährung freizukommen, stark davon abhängig ist, wann der Fall gehört wird. Sind Sie der erste Knasti am Morgen, haben Sie eine 65%-ige Chance freizukommen. Mit jedem weiteren Antragsteller fällt die Wahrscheinlichkeit bis auf Null vor der Frühstückspause gegen 11:00 Uhr. Nachdem die Richter einen kleinen Snack zu sich genommen haben, entscheiden Sie urplötzlich wieder fast 70% aller Bewährungsanträge positiv. Die armen Antragsteller kurz vor der Mittagspause müssen mit 90%-iger Wahrscheinlichkeit zurück in den Knast. Der erste nach der Mittagspause hat wieder gute Chancen, aber danach geht es rapide bergab und die letzten zwei Stunden vor Feierabend können Sie eigentlich gleich in ihrer Zelle bleiben! Die Richter sind hier natürlich nicht absichtlich “böse”. Es zeigt sich einfach nur die menschliche Tendenz, wenn man einmal erschöpft ist, einfach nichts zu entscheiden und den Status-Quo beizubehalten.
Was bedeutet das für den Möbelhandel?
Die meisten Beratungen, vor allem bei Küchen, finden am späten Nachmittag statt, oft nachdem der Kunde den ganzen Tag über gearbeitet hat und dann direkt ins Möbelhaus gefahren ist. Dann muss er endlos Detailentscheidungen treffen, die seinen Entscheidungsmuskel ermüden lassen. Wenn Sie sich die Grafik oben anschauen, ist das fatal!
Was können wir dagegen tun?
- Sorgen Sie dafür, dass die Kunden für die Entscheidung mit ausreichend Blutzucker gewappnet sind.
- Machen Sie nach der Präsentation eine Pause, reden Sie erstmal über Gott und die Welt, lassen Sie die Kunden kurz alleine und reichen Sie einen süßen Snack sowie Kaffee.
- Nutzen Sie den Anker-Effekt und sorgen Sie dafür, dass der Kaffee edel ist (die beste Investition, die Sie für Ihren Verkauf tätigen können, ist eine Show-Küche mit einer edel gestylten, hintergrundbeleuchteten Segafredo-Bar) und das Gebäck mal mindestens von Bahlsen. Frisch gebackene Waffeln sind für den Küchenverkauf ein Hit!
- Ein Kunde von mir hat einen hohen zweistelligen Betrag in ein Alessi-Kaffeeservice aus Edelstahl mit Silbertablett investiert und schwört auf den Effekt beim Kunden!
- Zwei Inhaber-Brüder, die seit Jahren mit mir zusammenarbeiten, sehen es als eine ihrer vornehmsten Aufgaben, durch die Ausstellung zu laufen und in jeder Beratung Kaffee anzubieten. Hier greift der zweite Anker-Effekt: Der Chef selber sieht den Kunden als wichtig genug an, dass er sich selber um sein leibliches Wohl kümmert.
Das sind keine billigen Tricks. Sondern wir versetzen den Kunden einfach in die Lage, eine Entscheidung zu treffen. Dies ist zum Wohle des Kunden wie auch des Möbelhauses. Niemand fährt gerne nach Feierabend von Möbelhaus zu Möbelhaus und lässt sich dort totlabern!
Ihr Thomas Witt