Dass Kleider Leute machen, ist ja schon sprichwörtlich. Die Frage ist aber:
- Wie funktioniert das?
- In welchen Situationen funktioniert das?
- Und vor allem: Wie können wir als Verkäufer diese Effekte nutzen?
Die psychologische Forschung zeigt: Anzugträger werden höflicher behandelt, wirken eher als Vorbild und setzen sich öfter durch.
Dazu zwei Erkenntnisse aus der Verkaufspraxis, die in der psychologischen Forschung bestätigt wurden:
1. Menschen, die durch Statussymbole Erfolg vorspiegeln, werden höflicher behandelt.
Die meisten Menschen glauben, dass diese Effekte existieren, meinen aber selber vor ihnen gefeit zu sein. So beteuern mir Möbelverkäufer immer wieder, dass sie niemals Menschen nach ihrem Äußeren einschätzen würden. Aber jedes Mal, wenn ich in Jeans und Pullover ein Möbelhaus betrete, werde ich eines Besseren belehrt.
Diese Fehleinschätzung kommt daher, dass wir solche Urteile unbewusst treffen. Es handelt sich um sogenannte “Heuristiken”, d.h. gedanklichen Abkürzungen, die wir uns nicht bewusst machen.
So wurden in einer Studie z.B. Menschen befragt, ob Sie eher hupen würden, wenn sie an der Ampel hinter einem teuren Auto stünden, das nicht losfährt oder hinter einem billigen Auto. Die Klassenkämpfer, die meinen, eher bei Bonzenautos zu hupen, sind bei dieser Befragung immer in der Überzahl. Die meisten Menschen fahren nunmal günstige Autos und meinen, eher solidarisch mit Ihresgleichen zu sein.
Das tatsächliche Verhalten sieht aber anders aus: Jetzt stellten sich die Forscher (Doob and Gross) nämlich an belebten Kreuzungen auf, ließen ihre Assistenten an der Ampel ihre Autos abwürgen und beobachteten das tatsächliche Verhalten. Und siehe da:
- Autos, die niedrigen ökonomischen Status signalisieren, wurden innerhalb von 12 Sekunden von 84% aller Fahrer angehupt,
- Statusautos dagegen nur in 50% der Fälle. In mehreren Studien wurde dieser Effekt bestätigt: Billige Autos werden sowohl öfter als auch schneller angehupt.
Dabei wurde auch getestet, ob weibliche oder männliche Fahrer öfter angehupt werden. Schlechte Nachrichten für Frauen: Sowohl von Männern wie auch von ihren eigenen Geschlechtsgenossinnen wurden Sie signifikant mehr angehupt als Männer. Daran kann man ohne teure Geschlechtsumwandlung nichts machen, wohl aber an den anderen Merkmalen von Status!
Lektion Nr. 1: Sie können sich rund ein Drittel allen Ärgers sparen, wenn Sie durch Äußerlichkeiten hohen Status signalisieren.
Das ist mit Kleidung wesentlich billiger zu machen, als mit Autos. Ich trage seit Jahrzehnten in der Arbeit meistens einen Anzug und merke, dass ich höflicher und zuvorkommender behandelt werde und Meinungsverschiedenheiten und Beschwerden öfter zu meinen Gunsten entscheiden kann, als wenn ich in Freizeitkleidung unterwegs bin. Wenn ein Mensch im Anzug auf einen Menschen ohne Anzug trifft, gibt oft der im Anzug den Ton an. Genau das will ich beim Verkaufen!
2. Professionell gekleidete Leute werden eher als Vorbild akzeptiert und sind dadurch überzeugender.
Forscher der Uni Köln (Felix Ebeling, Christoph Feldhaus, Follow the Leader or Follow Anyone – Evidence from a Natural Field Experiment, Köln, März 2012) folgten über einen Zeitraum von zwei Wochen einem Obdachlosen, der in der Kölner U-Bahn durch den Verkauf der örtlichen Obdachlosenzeitung Spenden sammelte. Dabei schauten sie sich drei Situationen an:
- A) Die “Kontroll-Situation”: Der Obdachlose wurde nur beobachtet. Das Geschäft lief mies: Nur bei 30% aller Fahrten erhält er überhaupt ein Almosen und pro U-Bahn Waggon macht er gerade mal 40 Cent Umsatz. Wir können also alle froh sein, unser Geld anders zu verdienen!
- B) Monkey see – Monkey Do: Ein als normaler Fahrgast getarnter Forscher meldete sich als erster und gab eine Spende. Dies erhöhte die Wahrscheinlichkeit, eine weitere Spende zu bekommen um mindestens 65%! Deswegen ist es auch so wichtig, dass in wenig frequentierten Möbelhäusern keine unbetreuten Kunden herumlaufen. Denn neue Besucher orientieren ihr Verhalten instinktiv an dem der Kunden, die schon da sind. Wenn diese alle in regem Gespräch mit Verkäufern sind, wollen sie das auch. Wenn aber alle Kunden alleine durch die Ausstellung laufen, lassen sich neue Besucher ebenfalls nicht ansprechen. Das erklärt den Samstagseffekt: “Wenn die Ärsche sich reiben, entsteht Umsatz!”. Die Abschöpfung ist an Samstagen in fast allen von uns betreuten Häusern überdurchschnittlich hoch und die Kunden sind einfacher zu kontaktieren.
- C) Vorbild mit hohem vs. niedrigem Status: Zusätzlich wurde variiert, ob der Forscher, der die erste Spende gab, durch Kleidung hohen Status symbolisierte (Anzug, Schlips, FAZ unter’m Arm) oder eher niedrigen Status signalisierte (Jeans, Pulli und die Zeitung mit den großen Buchstaben). Fast jeder Mensch denkt, er wäre eher davon inspiriert, wenn ein eher armer Mensch spendet. In der Realität folgten aber 22% mehr Menschen dem Vorbild des scheinbar reichen Spenders.
Was bedeutet das für uns Möbelverkäufer?
Signalisieren Sie durch Kleidung hohen Status! Viele Verkäufer sagen, dass sie das absichtlich nicht täten, um den Kunden das Gefühl zu geben “einer von ihnen zu sein”. Wer hat Recht?
Kommt darauf an, was Sie wollen!
- Wenn Sie Menschen beeinflussen und führen wollen (worum es bei meiner Art des Verkaufens geht), sorgen Sie dafür, dass Sie als Alpha-Tierchen wahrgenommen werden.
- Wenn Sie untertänig neben dem Kunden herdackeln wollen und vom Kunden gesteuert möglichst viele Möbel zeigen möchten, biedern Sie sich ruhig an.
Interessanterweise ziehen sich aber auch Möbelverkäufer an Samstagen anders an! Die Verkäuferinnen sind aufwändiger geschminkt und besser angezogen, Männer tauschen ihre fröhlich-chaotischen Kombinationen gegen Anzüge und einfarbige Hemden. Wenn das am Samstag gut funktioniert, wundert es mich immer, dass Montag wieder der alte Schlendrian einkehrt.
Logisch ist das nicht! Also besprechen Sie das doch mal mit Ihrer Mannschaft.
Ihr Thomas Witt