Für die meisten Menschen klingt Neuromarketing, Lymbic Sales und Verkaufspsychologie einfach zu kompliziert. Ist es aber nicht. Nur die Namen. Hier kommt daher ein griffiges Beispiel von angewandter Verkaufspsychologie.
Was der Möbelhandel von einer pfiffigen Klofrau lernen kann
Eine Aufgabe für die Herren unter Ihnen (Frauen dürfen auch mitmachen): Schauen Sie auf dieses Bild und klicken Sie dann schnell und ohne viel zu überlegen auf den Betrag, den Sie in dieser Situation, in Anwesenheit der Klofrau und von mehreren Toilettenbesuchern auf den Teller legen würden.
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Klicken Sie bitte neben dem Bild auf Ihre Antwort, bevor Sie weiterlesen!
Besten Dank! Die Ergebnisse meiner Befragung mit über 300 Teilnehmern können Sie hier nachlesen.
Dieses kleine Experiment zeigt eine interessante Anwendung der Prinzipien der Beeinflussung: Wir verhalten uns gerne in Übereinstimmung mit dem Bild, dass wir und andere von uns haben sollen.
Beachten Sie das Preismodell: Der übliche Toilettenpreis auf Autobahnen liegt zwischen 50 und 70 Cent. Zehn Cent ist wesentlich weniger, als man normalerweise geben würde. D.h. wer 10 Cent gibt, fällt schon allein durch extremen Geiz auf. Jede Münze ohne Silber, d.h. alles außer 1 oder 2 Euro fällt auch sofort auf.
Das Ergebnis ist ein Teller voller 1 und 2 Euro Münzen.
Die psychologisch versierte Klofrau wird natürlich auch die gelegentlichen Centmünzen immer gleich entfernen, um zusätzlich den Gruppendruck (“Na, wenn alle 2 Euro geben …”) zu nutzen.
Letztes Jahr war ich eine Woche auf einem Seminar, und wir wurden wie immer ausgezeichnet von zwei netten Bedienungen betreut. Zum Schluss ließen wir, wie jedes Jahr, einen Teller für das Trinkgeld herumgehen. Obwohl auf diesen Seminaren immer ausgemacht sozial motivierte Menschen sind, war mir in den Jahren davor aufgefallen, dass viele nur ein paar Euro für eine Woche Service gaben, was ich zu wenig finde.
Diesmal griff ich mir unauffällig als erster den Teller und “säte” ihn mit einem 20 Euro Schein. Und siehe da: Mehr als die Hälfte der Teilnehmer legten auch Scheine drauf. Und zwar immer mehr gegen Ende, als schon viele Scheine drauflagen. Das gewünschte Verhalten war einmal vorgemacht und der Gruppendruck wurde immer größer.
Was bedeutet das für den Möbelhandel?
Sorgen Sie dafür, dass das erste, was der Kunde sieht, nicht die “Preiseinstiegsmodelle” sind. Dieser Rat geht gegen den konventionellen Ausstellungsaufbau. Die Candy, Corona und Co. - Flächen wirken aber als niedriger Preisanker und das ist fatal!
Unterbewusst kommt beim Kunden an: “So viel kosten Sofas hier wohl. Das ist normal.” Das ist so, als wenn die Klofrau 2 Euro haben will, aber ihren Teller zunächst mit 20-Centstücken bestückt.
Der Preisanker ist eine psychologische Waffe, die der Möbelhandel konsequent falsch herum hält und dadurch weniger wertig verkauft, als es für Kunden und Händler gut wäre. Lesen Sie hier mehr über Preisanker im Möbelhandel.
Sorgen Sie außerdem dafür, dass das Produkt, das Sie verkaufen wollen, klar als die erste Wahl vieler Kunden präsentiert wird. Menschen kaufen nicht umsonst gerne Bestseller. Sie fühlen sich wohler, wenn sie das tun, was andere schon getan haben.
Ich nenne das etwas unwissenschaftlich den "Lemming-Effekt". Nach den pussierlichen Tierchen, die sich angeblich in Scharen von Klippen in den Tod stürzen. Doch mehr zum "Lemming-Effekt" ein andermal.
Wie können Sie das als Möbelverkäufer umsetzen?
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Sorgen Sie dafür, dass Sie den Kunden vor seiner Odyssee durch die Ausstellung abfangen. Nämlich wenn er zum ersten Mal stehen bleibt, weil ihn etwas interessiert.
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Dann steigen Sie nicht über die Ware ein (das führt, wenn es überhaupt klappt, relativ schnell zu der Frage: "Was kostet das?" und damit zu einem ungesteuerten, zufälligen Preisanker), sondern öffnen den Kunden erstmal durch Small-Talk-Fragen.
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Machen Sie dann eine Bedarfsermittlung der IST-Situation: Wie lebt der Kunde jetzt? Was findet er an der Einrichtung gut? Was nervt? Was will er verändern?.
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Danach fragen Sie nach der SOLL-Situation: Was will der Kunde durch den Möbelkauf erreichen? Was ist ihm dabei wichtig? Warum? Hier gehört dann auch langsam die Frage nach dem Budget hin. Die wird aber nur ehrlich beantwortet, wenn Sie vorher 20-30 andere Fragen gestellt haben, die Ihr ehrliches Interesse am Kunden beweisen.
All das finden Sie ausführlicher in unserer Verkäuferfibel für den Möbelhandel, die Sie sich kostenlos hier herunterladen können, wenn Sie sie noch nicht haben.
Wenn der Kunde nicht klar zum Budget etc. Stellung nimmt, machen Sie drei Vorschläge in deutlich verschiedenen Preisklassen:
- Das höchste Angebot ist extrem teuer und dient nur als Preisanker. Sie können das ruhig mit Worten präsentieren wie: “Also wenn Geld bei mir keine Rolle spielte, würde ich mir das kaufen.” Wohl wissend, dass für den Kunden Geld mit hoher Sicherheit eine große Rolle spielt.
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Das mittlere ist das Modell, das Sie verkaufen wollen. Erwähnen Sie, dass viele Menschen sich für diese Lösung entscheiden, da sie ein vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis hat.
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Das niedrigste Angebot ist minderwertig und enthält nicht alles, was der Kunde will. Sie können dieses Modell ruhig schlecht reden. Das sind die 10 Cent im Klofraubeispiel.
Genauso preist die Firma Tempur. Es gibt
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das dünne Modell (“... zu dem man dann aber unbedingt einen Tempur-Lattenrost kaufen muss, weil die Matratze sehr dünn ist”).
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Dann das mittlere Modell, mit waschbarem bequem abnehmbaren Bezug und beruhigender Dicke und schließlich
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das dicke Modell mit der unmöglichen Auflage, die man nur in Spezialreinigungen waschen kann.
Nutzen auch Sie die Prinzipien des Neuromarketing im Möbelhandel. Wenn Sie diese noch nicht alle kennen, laden Sie sich hier meinen Artikel über “Neuromarketing im Möbelhandel - die 6 Abkürzungen ins Entscheidergehirn” herunter, wenn Sie es noch nicht bei der Umfrage gemacht haben.
Ihr Thomas Witt